Nobelpreisträgerin Maria Goeppert Mayer Ehrenamtliche Arbeit an der Atombombe

1930 bestand sie ihre Doktorprüfung in theoretischer Physik vor vier erstklassigen Wissenschaftlern, von denen zwei bereits Nobelpreisträger waren; ein dritter sollte es später werden. Aber noch im gleichen Monat verließ sie Deutschland mit ihrem Ehemann, der Mitarbeiter eines ihrer Prüfer in Göttingen gewesen war. Goeppert Mayers Liebe zur Physik führte sie später bis ins Manhattan Project, bei dem die USA die Atombombe entwickelten. Auch hier arbeitete die Physikerin ehrenamtlich. Sie hasste die Nazis glühend. Aber anders als viele ihrer Kollegen war sie nach dem Krieg der festen Überzeugung, dass sich die Physiker niemals wieder an der Waffenentwicklung beteiligen dürften, und bekundete ihre Meinung ihr Leben lang immer wieder öffentlich.

Auf den Cocktailpartys, die sie in ihrem Haus in Chicago in den 1950er-Jahren veranstaltete, hatte sie allen Grund zu feiern: 1949 war es ihr gelungen, die Struktur der Atomkerne zu enträtseln - ein Problem, über das die Physiker seit zwei Jahrzehnten grübelten. Die sich durch die starke Kernkraft anziehenden Protonen und Neutronen bewegen sich auf festgelegten Energieschalen, ähnlich den Elektronen im Atom, auch wenn die Kräfte, die sie antreiben, von Grund auf verschieden sind.

Marias Schalenmodell konnte auf einmal erklären, warum manche Elemente wie Helium, Sauerstoff, Kalzium und Blei sehr stabile Kerne besitzen, die die Physiker "magisch" nennen. Das Schalenmodell, das sie in fünf Jahren hartnäckiger Arbeit entwickelt hatte, brachte ihr den Scherznamen "Madonna of the onion" ein.

Langer Weg bis zur bezahlten Professur

Bereits Anfang der 1950er-Jahre stand Maria Goeppert Mayer zusammen mit dem Heidelberger Physiker Hans Daniel Jensen, der zum gleichen Zeitpunkt und unabhängig von ihr ebenfalls die Kernschalentheorie entwickelt hatte, auf der Liste der Nobelpreiskandidaten - aber auf keiner Berufungsliste einer Universität. Immer noch galt der Satz des amerikanischen Nobelpreisträgers Robert Millikan: Man könne etwas Besseres mit dem Geld anfangen, als Frauen in der Physik anzustellen.

Trotz der Ablehnung, die sie erfuhr, ließ sich Maria nicht entmutigen: Ihr permanenter Förderer und wichtigster Gesprächspartner war Joseph Mayer, der fest an das physikalische Genie seiner Frau glaubte. Er war es auch, der 1949 als erster die Bedeutung ihres Schalenmodells des Atomkerns erkannte und sie dazu brachte, ihre Idee in wissenschaftlicher Form niederzuschreiben und zu veröffentlichen.

Es sollten noch zehn Jahre vergehen, bis die deutsch-amerikanische Physikerin eine bezahlte Professur erhielt. Erst 1959 wurde sie als 53-Jährige an die neu gegründete University of California in San Diego berufen. Vier Jahre später, am 4. November 1963, erhielt sie die Nachricht, dass ihr der Nobelpreis für Physik zuerkannt worden war. Er wurde ihr am 10. Dezember zusammen mit Jensen und dem bedeutenden theoretischen Physiker Eugene Wigner verliehen. Bis zu ihrem frühen Tod 1972 unterrichtete sie unermüdlich in San Diego, setzte sich für eine freie Forschung ein und ermutigte in zahlreichen Vorträgen die Frauen weltweit, die Physik nicht mehr nur den Männern zu überlassen.

Wie schwer es die Frauen in der Physik bis heute haben, ist nicht zu übersehen: Nur zwei Wissenschaftlerinnen - Marie Curie 1903 und Maria Goeppert Mayer 1963 - haben den Nobelpreis in der Königsdisziplin der Naturwissenschaften bekommen, eine weibliche Beteiligung von gerade einmal einem Prozent. Auch 50 Jahre nach der letzten Physiknobelpreisträgerin wird am 10. Dezember in Stockholm die höchste Auszeichnung, von der viele Forscher träumen, erneut an zwei Männer verliehen.

Von der Autorin stammt das Buch über Goeppert: "Der letzte Physiknobelpreis für eine Frau?", Termessos Verlag, 19,95 Euro